Set #6: Kollaboration
Das radikaldemokratische Museum
Nora Sternfeld, Kunsthochschule Kassel
Was kommt nach dem Tod des Museums? In den letzten Jahren war viel von Krise und Aufbruch des Museums zu hören – von „müden Museen“ (Daniel Tyradellis) und vom „Ende des Museums“ (Catherine Grenier), nur um im selben Atemzug ungenutzte Möglichkeiten zu diskutieren, Museum neu und anders zu denken – und zwar als Versammlungsraum und Kontaktzone, als Ort der Kritik, der Vielstimmigkeit und der Verhandlung. Etwas scheint also im Aufbruch, und so nimmt es nicht wunder, dass die Rede über das „Museum der Zukunft“ wieder Konjunktur hat.
Sie ist in avancierten Museumsdiskussionen genau so allgegenwärtig wie die Bezugnahme auf eine Krise der Repräsentation – beides Themen und Ausgangspunkte, des im Oktober 2018 erschienen Buches „Das radikaldemokratische Museum“ von Nora Sternfeld. Und was ist nun ein radikaldemokratisches Museum? Wichtig erscheint hier erst einmal eine konkrete Situierung der Funktion der öffentlichen Institution Museum: Dieses ist ja weder die Straße der Demonstration noch das Parlament. Es ist allerdings ein politischer Ort – vergessen wir nicht, dass sich die Geschichte des modernen Museums doch wesentlich einer Museumsbesetzung verdankt, der Eroberung des Louvre in der Französischen Revolution. Das Museum ist eine öffentliche Institution, die mit der Straße als Raum des Protests und dem Parlament als Versammlungsraum verbunden ist, aber anderes kann und macht. Eine radikaldemokratische Museologie nimmt das Museum zugleich beim Wort und fordert es heraus. Denn als öffentliche Institution gehört das Museum allen – was mehr meint, als dass es bloß allen offenstehen sollte. Es verspricht die Möglichkeit, sich zu fragen, wer „alle“ sind und wer davon ausgeschlossen bleibt, erlaubt, sich damit auseinanderzusetzen, was geschehen ist, darüber zu verhandeln, was dies für die Gegenwart bedeutet und wie sich davon ausgehend eine Zukunft imaginieren lässt, die mehr ist als bloß die Verlängerung der Gegenwart.
Kunstvermittlerin und Kuratorin Nora Sternfeld ist seit Januar 2018 documenta-Professorin an der Kunsthochschule Kassel. Von 2012 bis 2018 war sie Professorin für Curating and Mediating Art an der Aalto University in Helsinki. Darüber hinaus ist sie Co-Leiterin des ecm-Masterlehrgangs für Ausstellungstheorie und -praxis an der Universität für angewandte Kunst Wien, im Kernteam von schnittpunkt. ausstellungstheorie & praxis, Mitbegründerin und Teilhaberin von Büro trafo.K, Büro für Bildung, Kunst und kritische Wissensproduktion (Wien) und seit 2011 Teil von freethought, Plattform für Forschung, Bildung und Produktion (London). In diesem Zusammenhang war sie auch eine der künstlerischen Leiter*innen der Bergen Assembly 2016. Sie lehrte an internationalen Universitäten und publiziert zu zeitgenössischer Kunst, Ausstellungen, Geschichtspolitik und Bildungstheorie.