Set #6: Kollaboration
Plurale Perspektiven und die AdA-Schule im Japanischen Palais in Dresden
Noura Dirani und Marcelo Rezende, Staatliche Kunstsammlungen Dresden
Die Frage danach, welche Rolle die Besucher*innen im musealen Ausstellungsraum einnehmen, wird in den letzten Jahrzehnten verstärkt diskutiert. Die Partizipation an kooperativen Vermittlungsprogrammen und interaktiv angelegter Kunst wird heute an vielen Museen weltweit praktiziert.
Das Co-Design geht einen Schritt weiter und setzt früher an, nämlich bereits im Prozess der Planungen: Die Besucher*innen werden zu Entscheider*innen über die Inhalte, die künftig im Kontext der Ausstellung thematisiert werden sollen. Die Formen der Kollaboration sind, wie die Ergebnisse, komplex und vielfältig.
Das Einbeziehen pluraler Perspektiven durchbricht die Reproduktion eingeübter Erzählmuster am Museum, die das Selbstbild nur bestätigen, nicht aber kritisch reflektieren. Sie ermöglichen zudem neue Lesarten von Kunst und betten diese in aktuell gesellschaftliche Fragestellungen ein. Das Museum wird so als reiner Repräsentationsraum hinterfragt und zu einem Ort des demokratischen Dialoges.
Noura Dirani befragt diese Bereitschaft der Institution regelmäßig, indem sie diverse Akteur*innen in ihre kuratorische Praxis miteinbezieht: ob die Mitarbeiter*innen der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden für das „Museum of Untold Stories“ oder 15- bis 35-Jährige in ganz Sachsen, die in einer Befragung darüber abstimmten, wie sie sich ein gutes Leben vorstellen („Die Erfindung der Zukunft“).
Austragungsort dieser Ausstellungsprojekte ist das Japanische Palais in Dresden, das derzeit interimsweise auch als Erprobungsraum für das von Marcelo Rezende geleitete Archiv der Avantgarden (AdA) fungiert. Hier soll herausgefunden werden, wie eine so umfangreiche Datenbank wie das AdA zukünftig von diversen Akteur*innen genutzt, gestaltet und befragt werden kann. Das Museum, genauso wie das Archiv, so zeigen die Vorträge auf, sind keine reinen Repräsentationsräume, sondern Orte demokratischen Dialogs.
Noura Dirani ist seit 2017 Referentin für transkulturelle Methodik an den Staatlichen Kunstsammlungen Dresden. Zuvor war sie unter anderem als wissenschaftliche Mitarbeiterin am Exzellenzcluster „Asia and Europe in a Global Context“ der Universität Heidelberg sowie bei der Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen tätig, wo sie am Forschungsprojekt „museum global“ mitwirkte.
Marcelo Rezende ist Leiter des Archivs der Avantgarden. Der Kunstwissenschaftler, Kritiker und Ausstellungsmacher war Direktor des Museums für Moderne Kunst von Bahia (2012-2015), künstlerischer Leiter der 3. Bahia-Biennale (2014) und unter anderem Teil der kuratorischen Leitung der 28. São Paulo-Biennale (2008).